Vortrag

Annika Rauchberger

Der begrenzte öffentliche Raum

13.12.2019, 09:15 Uhr

Das Institut für Europäische Ethnologie lädt herzlich ein zum Vortrag von

 

Annika Rauchberger:

Der begrenzte öffentliche Raum

Armut als Sicherheitsrisiko sozialer Teilhabe

 

Der öffentliche Raum ist nicht nur ein Ort, an dem soziale Auseinandersetzungen und Begegnungen stattfinden. An seiner Verfasstheit zeigt sich, inwieweit eine Gesellschaft fähig ist, Verschiedenartigkeit zuzulassen und anzuerkennen. Gegenwärtig ist der öffentliche Raum in Wien strengen Reglementierungen und Verordnungen unterworfen, die einen voraussetzungslosen Zugang verhindern. Vor allem Menschen, die sichtbar arm sind, wird es zunehmend erschwert, den öffentlichen Raum zu nutzen. Dabei sind es gerade bettelnde Menschen, Wohnungs-und Obdachlose, Menschen in prekären Wohnverhältnissen und mit geringem Einkommen, die ganz besonders auf diesen angewiesen sind. Für Passant*innen mag ein Platz, ein Gehsteig oder eine Brücke nicht mehr sein als der Weg zur Arbeit, doch für bettelnde Menschen etwa, spielen sie eine wichtige Rolle. Es ist der einzige Ort, an dem sie auf ihre Notlage aufmerksam machen können, ihre Tätigkeit des Bettelns verrichten und mit potentiellen Geber*innen ins Gespräch kommen können. Für Obdachlose, vor allem aus den EU Ländern, die keinen Anspruch auf Unterstützungsleistungen haben, ist der öffentliche Raum ihr zentraler Lebensraum, ein sozialer Treffpunkt, ein Ort, an dem sie den Tag verbringen und auch nächtigen. Durch eine verstärkt emotionalisierte Schutz-und Sicherheitsdebatte ist die Kontrolle und Reglementierung des öffentlichen Raumes durch die Stadt immer dichter geworden. So erlebte beispielsweise die Campierverordnung von 1985, die sich ursprünglich gegen Rucksacktourist*innen gerichtet hat, 2012 eine „Wiederauferstehung“. Sie diente als Grundlage, um die Aktivist*innen des Refugee Protest Camps vor der Votivkirche zu vertreiben. Heute ist sie ein beliebtes Mittel, um Obdachlose zu vertreiben. Die Campierverordnung, das Bettelverbot, Platzverweise oder das Alkoholkonsumverbot am Praterstern, alle verfolgen ein Ziel: die Vertreibung von „unliebsamen“ Menschen und Gruppen. Denn sichtbar von Armut Betroffene gelten als Risikofaktoren, die nur als Belästigung und Verschandelung empfunden werden und nicht zum Bild der Menschenrechtsstadt (Ernennung 2014), die mit höchster Lebensqualität wirbt, passen. Im Fokus des Inputs soll der Frage nachgegangen werden, welche unterschiedlichen Bedeutungen der öffentliche Raum für ausgegrenzte und diskriminierte Gruppen hat und wie diese besonders von der Überregulierung des öffentlichen Raumes betroffen sind. Wie reagieren die Menschen auf die urbane Ausgrenzungspraxis der Stadtverwaltung? Und letztendlich inwieweit sind informelle Praktiken als Antwort auf eine repressive Gestaltung des öffentlichen Raumes möglich? Zum Kollektiv: Die Bettelobby Wien ist eine 2009 gegründete Initiative, die das Grundrecht auf Betteln verteidigt. Die Initiative setzt sich zum Ziel, mehr Aufmerksamkeit für die tatsächliche Lebenssituation von bettelnden Menschen zu schaffen und kritisiert öffentlich den Umgang der Polizei mit Betroffenen, sowie die diffamierende Darstellung in den Medien und politischen Debatten. Seit 2013 bietet die BettelLobby kostenlose Rechtsberatung für jene an, die von Strafen, Repression und Vertreibung betroffen sind.

 

Zur Person

Annika Rauchberger hat Soziale Arbeit an der FH St. Pölten und Soziologie an der Universität Wien studiert. Durch einen längeren Forschungsaufenthalt in Rumänien, bei dem sie sich mit der Thematik struktureller Ausgrenzung und Marginalisierung von Nachfahren der Roma auseinandergesetzt hat, ist sie besonders sensibilisiert über die Lebenslagen der in Wien lebenden armutsbetroffenen RumänInnen. Seit 2013 ist sie Aktivistin der BettelLobby Wien und bietet Rechtsberatung auf Rumänsich an.

 

> Weiterführende Informationen zu BettelLoby <