Defensio Brigitte Zamzow

Wir laden zur Defensio der Dissertation "The Making of a Diverse Neighborhood in Gowanus - Eine Ethnographie zu Planung und Alltagsleben in einem New Yorker Stadtviertel" von Brigitte Zamzow am 2.10.2023 ein.

Am 2.10.2023 um 13:00 findet die Defension der Dissertation "The Making of a Diverse Neighborhood in Gowanus - Eine Ethnographie zu Planung und Alltagsleben in einem New Yorker Stadtviertel" von Brigitte Zamzow im Seminarraum am Institut für Europäische Ethnologie statt.

 

Abstract:

Die immer weiter auseinanderdriftende Einkommensschere, hervorgerufen durch Wirtschaftsliberalismus und Austeritätspolitik, die in den 1980er-Jahren auf die Wohlfahrtsstaatsprogrammen folgte, hypersegregiert westlich-kapitalistisch geprägte Städte in einer neuen Form. Wurden in den 1990er-Jahren noch Marginalisierungsdynamiken in benachteiligte Stadtteile und hierarchisch höhergestellte, wohlhabende Viertel attestiert, von denen besonders Nicht-Weiße und intersektional benachteiligte Gruppierungen überproportional belastet wurden, sehen die 2020er-Jahre Städte wie New York City vor sich, in denen fast ganz Manhattan seelenlosen Kapitalakkumulierungszentren gleichen (im U.S.-amerikanischen Diskurs als restructuring bekannt), während eine invisibilisierte, größer werdende andere Gruppierung weiter in die Peripherie verteilt wird und ob ihrer Zerstreuung nicht einmal mehr in demographischen Statistiken auftaucht. Konzentrierte Armut sei schließlich aufgebrochen.

Aber es gibt ein Dazwischen - gerade in innerstädtischen Zonen, in denen eine Mittelschichts- und Künstler*innenklientel, die in den 1990er- und 2000er-Jahren eventuell tatsächlich als Gentrifizierer*innen eingestuft worden ist und heute ideell entgegen neoliberalisierter Lebensweisen steht, auf die einzig verbliebenen nicht-weißen, nicht-Mittelschichtsfamilien trifft – Sozialbautenbewohner*innen. Beiden ist die Erfahrung gleich, einem neoliberalen System als nicht nutzbar zu gelten, während die eine Partei mit Marginalisierung schon seit Anfang des Landes konfrontiert war, gibt die andere ihre Anspruchshaltung auf, um zugunsten eines moralischen Projekts zu Wohnraumzugang im Viertel (eher unvorhergesehen) gemeinsam eine neue politische Wirkmächtigkeit in Teilhabeprozessen zu entfalten. Der Zusammenschluss trägt den größeren Prozess gesellschaftspolitischen Wandels hin zu einer post-neoliberalen Imagination entscheidend mit.

In Gowanus in Brooklyn, NYC hat eine community innerhalb eines Teilhabeprozesses für ein Umwidmungsverfahren in Form von gerechtem Wohnraumzugang verhandelt, wer wo wie in diesem Viertel künftig leben soll. Auf Basis des Forschungsstandes und der Aufarbeitung der ethnographischen Forschung unter Covid19-Pandemiebedingungen folgt in dieser Studie eine quantitative Aufarbeitung der Demographie und ein qualitativer Blick in die räumlichen Bedingungen in Gowanus. Die Arbeit zeigt den diskursiven Wandel stadtgesellschaftlich und stadtverwalterisch verhandelten Wohnraumzugangs, der in den lokalen Teilhabeprozess der Rezonierung Gowanus überführt. Dazu werden die Dynamiken Gowanus‘ moral economy herausgearbeitet. Abschließend werden die aktuellen Housing Justice-Debatten und die Rezonierung durch die einzig verbliebenen Eingesessenen im Viertel, den Sozialbautenbewohner*innen kommentiert und kontextualisiert.

Im Falle von Gowanus Bewohner*innen ist die gemeinsame Intention, neoliberale Strukturen aufzubrechen, race und class transzendieren. Dabei zeigt sich, dass eine heterogene Gruppe, die das derzeitige wirtschaftspolitische System benachteiligt und die in ihrer Konsequenz fühlbar mit Prekarisierung auf verschiedenen Dimensionen konfrontiert ist, eine politische Wirkungsmacht entfalten kann, wenn auch in deren Alltagserfahrung immer noch Rassismen und anderen Marginalisierungs- und Ausschlussverfahren vorherrschend sind.

 

Betreuerin: Brigitta Schmidt-Lauber

Gutachter:innen: 

Kommissionsvorsitz: