Karin Moser, Universität Wien, Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Reisende und Bereiste im Spielfilm

Abstract:

Reisende und Bereiste im Spielfilm

Schon in der Frühzeit der Kinematografie sind Reisebilder und touristisch motivierte Filme zentraler Bestandteil des Kinoprogramms und erfreuen sich besonderer Beliebtheit. Kulturfilme und Werbefilme bewerben nicht nur die schönen heimischen Landschaften und österreichischen Kulturstätten, auch das Reiserlebnis per Bahn oder Bus wird stimmig inszeniert und soll verschiedenste Zielgruppen ansprechen.

Nach 1945 wird der Spielfilm zum zentralen Werbebotschafter des österreichischen Tourismus. Gute Laune, pompöse Ausstattung, schöne Landschaften und viel Musik sollen die Menschen ins Kino und nach Österreich locken. Vorerst hat das Filmschaffen noch mit den Folgen des Krieges (Mangel, Zerstörung) zu kämpfen. Doch schon bald wollen Produzent*innen und Publikum nichts mehr davon wissen. Eskapismus, Verklärung, Tradition und gezähmte „Moderne“ sind angesagt. Der Wirtschaftsaufschwung ist nun allerorts spürbar.

In Heimatfilmen, Komödien und Musikfilmen treffen Einheimische und Besucher*innen aufeinander, Gegensätze werden genrebedingt verstärkt, überzeichnet und überwunden oder schlicht ausgeblendet. Städter*innen suchen am Land den Ausgleich zum hektischen Leben in der Metropole, arme Schlucker avancieren plötzlich zu Hotelerb*innen, junge Musiker*innen verdienen sich Kost und Logie im Gastgewerbe, Betriebe müssen gerettet und die Spleens so mancher Gäste erduldet werden. Im Verlauf der 1960er-Jahre ist der heimische Film schließlich zu einem audiovisuellen launigen Werbeprospekt mutiert. Und doch finden sich da und dort selbstkritische Töne.

Der Vortrag findet am Donnerstag, 09. November 2023  am Institut für Europäische Ethnologie, Hanuschgasse 3, 1010 Wien, Seminarraum 1 statt.