Am Donnerstag, 20.10.2022 findet im Rahmen des Institutskolloquiums "Gewalt_losigkeit" folgender Vortrag statt:
Felix Gaillinger: "Unterhaltskonflikte und ihre Aushandlungsdilemmata. Rechtspraktiken und Transferbeziehungen in der aktivgesellschaftlichen Anerkennungsökonomie"
Felix Gaillinger, M.A., B.A., B.A., studierte Empirische Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie, Italianistik, Pädagogik / Bildungswissenschaften und SLK (Sprache, Literatur und Kultur) an der LMU München und der Università di Bologna. Derzeit ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter / Univ. Ass. "prae doc" am Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien. 2022 erschien seine erste Monographie Um den Unterhalt kämpfen! im Utzverlag, in der es um das Zusammenspiel von Macht, Klassismus, Tauschmoral und Transferbeziehung in Unterhaltskonflikten junger Volljähriger geht.
Abstract:
Junge Volljährige im Unterhaltsstreit gegen ihre Eltern sind Subjekte am Rande und außerhalb des Diskurses. Sie sind nicht mehr minderjährig und damit nicht mehr in jenen Studien und Statistiken mitgedacht, die sich aus einer lebensweltlichen Perspektive mit dem Alltag Alleinerziehender und ihrer Kinder beschäftigen (vgl. Jochim 2020; vgl. Lenze / Funke 2016; vgl. Heiliger / Wischnewski 2003; vgl. Andreß / Borgloh / Güllner / Wilking 2003). Gleichzeitig durchlaufen sie ein prekäres Ausbildungsverhältnis und sind noch nicht finanziell selbständig. Aus der Perspektive der jungen Volljährigen, die ich im Rahmen meiner ethnographischen Studie begleitet habe, kann dieses Dilemma nur durch das Erringen der verweigerten Ressource Unterhalt aufgelöst werden. Gleichsam sehen sie sich mit dem Rückzug wohlfahrtsstaatlicher Leistungen konfrontiert: Mit dem 18. Geburtstag fällt das Recht auf Unterhaltsvorschuss weg – eine Kompensationsleistung, sollte sich ein Elternteil weigern, den Unterhalt zu zahlen – ebenso wie die rechtsvertretende Beistandschaft durch das Jugendamt. Durch die aktivierende und anerkennungsökonomische Rekonfiguration sozialstaatlicher Regelungen (vgl. Lessenich 2008; vgl. Lessenich 2009) entsteht ein spezifischer Modus von Vulnerabilität. Im Rahmen meines Vortrages werde ich das Rational-Sein in diesen Unterhaltskonflikten als eine rechtlich forcierte Herstellungsleistung nachzeichnen. Ich werde das Beziehungsmanagement konturieren, das junge Volljährige entwickeln, um mit rationalisierenden Angeboten von wohlfahrtsstaatlicher Seite umzugehen und einem gewissen Maß an Emotionsarbeit dennoch Raum zu geben. Zu zeigen sein wird, dass nicht nur das Irrationale, sondern auch das ausschließlich Rationale rechtlicher Regelungen einen gewaltvollen Charakter annehmen kann und die Unterhaltsverweigerung mitunter noch weiter verstärkt.
Der Vortrag findet am Donnerstag, 20. Oktober 2022 um 17:00 Uhr am Institut für Europäische Ethnologie, Hanuschgasse 3, 1010 Wien, Seminarraum 1 statt.
Es gibt auch die Möglichkeit, online beizuwohnen: