Überarbeitung und Feedback

Keine_r eurer Lehrenden hat seine/ihre Doktorarbeit an einem Stück geschrieben, kein Text fließt seinem/seiner Autor_in druckfertig aus der Feder. Alles, was wir an der Universität produzieren, muss überarbeitet werden, oft in mehreren Schritten. Dafür gibt es verschiedene Strategien, mit denen ihr das Meiste aus eurem Text herausholen könnt.[1]

 

Wie überarbeiten?

Die Überarbeitung kann an verschiedenen Punkten ansetzen. Die effizienteste Herangehensweise ist, mit dem Groben zu beginnen und dann mehr und mehr ins Detail zu gehen:

1.       Kontext/Aufgabenstellung: Löst der Text alles ein, was von der jeweiligen Textsorte gefordert ist? Spricht er das richtige Zielpublikum an?

2.       Inhalt: Was sind die Hauptaussagen des Textes? Ist der Text im Aufbau, in der Abfolge von Argumenten klar und kohärent, ergibt das Geschriebene Sinn und ist es verständlich? Sind andere wissenschaftliche Positionen korrekt wiedergegeben und die Grundlagen der eigenen Aussagen in überzeugender Weise offengelegt? Sind die empirischen Teile der Arbeit, deren Methodik und deren Ergebnisse präzise dargelegt?

3.       Struktur/Aufbau: Kann sich der/die Leser_in gut im Text orientieren? Ist die Anordnung der Gedanken plausibel und nachvollziehbar? Sind die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Aussagen klar? Würde es sich empfehlen, Absätze umzustellen, Zwischenüberschriften einzufügen oder zu entfernen?

4.       Sprache/Stil: Ist die gewählte Sprache dem Anlass entsprechend? Gibt es Wiederholungen oder eintönige Formulierungen, die sich vermeiden, Sätze, die sich vereinfachen, Sachverhalte, die sich anschaulicher darstellen lassen?[2] Lassen sich im Text noch Fehler in der Grammatik, der Rechtschreibung oder der Zeichensetzung finden?

5.       Layout/Formalia: Sind die Absätze und Zwischenüberschriften einheitlich gestaltet? Ist korrekt und einheitlich zitiert und belegt?

Es bietet sich an, die Überarbeitung in dieser Reihenfolge anzugehen, um nicht doppelte Arbeit beispielsweise mit dem sprachlichen Feinschliff zu haben, nachdem man in der inhaltlichen Überarbeitung ganze Textpassagen umformuliert hat.

 

Keep calm and ask your colleagues: Feedback

Dabei müsst ihr aber nicht ganz auf euch alleine gestellt bleiben: Ihr könnt euch Hilfe von anderen holen: Feedback.[3] Feedback liefert euch Vorschläge, was ihr überarbeiten könnt. Eine andere Person kann euch Feedback geben oder sogar eine ganze Gruppe. Feedback kann übrigens nicht nur von fachinternen Personen gegeben werden. Wenn ihr dezidiert auf Inhalte Rückmeldung wollt, empfiehlt es sich allerdings. Sonst kann es durchaus neue Perspektiven öffnen, jemand Fachfremden über den Text lesen zu lassen. Wichtig ist in jedem Fall, in welchem Stadium sich der Text befindet. Denn in jeder Phase der Entstehung kann Feedback gegeben und kann überarbeitet werden. Allerdings wird beispielsweise bei einem Rohtext das Layout noch weniger relevant sein.

Für gelingendes, produktives Feedback gibt es einige Spielregeln: Feedback sollte möglichst präzise ausfallen, ein einfaches „Der Text ist gut/schlecht“ hilft nicht weiter. Denn gelungenes Feedback zeigt Handlungsmöglichkeiten für die Verfasser_innen auf. Dabei ist es nicht abwertend, sondern zeigt auch, was gut gelungen ist. Und schlussendlich: Feedback ist immer eine Meinung, ein persönlicher Eindruck auf Grundlage der eigenen Leseerfahrungen.

Wenn ihr Feedback gebt, achtet auf subjektive Sprache. Also sagt nicht „die Formulierung ist präzise“, sondern „ich finde diese Formulierung präzise“, und versucht zu erklären, wie ihr zu dieser Einschätzung kommt. In jedem Fall bleibt die Überarbeitung im Entscheidungsbereich der Person, die den Text verfasst hat. Als Autor_innen müsst ihr also nicht alles annehmen, sondern könnt entscheiden, welche Vorschläge ihr plausibel findet und  umsetzen wollt.

(Maria Prchal & Ana Rogojanu)

 

Weiterführende Literatur:

Howard S. Becker H. S.: Redigieren nach Gehör. Kapitel 4. In: ders.: Die Kunst des professionellen Schreibens. Ein Leitfaden für die Geistes- und Sozialwissenschaften. Frankfurt am Main, New York 1994, S. 98-123.

—> Ein differenzierter Text zur allgemeinen Logik des Redigierens, aber auch der Spezifik von Stilfragen, mit vielen anschaulichen Beispielen.

Walter Krämer: Endredaktion und Niederschrift. Kapitel 8. In: ders.: Wie schreibe ich eine Seminar- oder Examensarbeit. Frankfurt/New York 1999, S. 169-181.

—> Worauf achten, wenn die Arbeit vor der Abgabe steht? Walter Krämer gibt nützliche Tipps, wie mit dem schriftlichen Produkt eines Forschungsprozess umgegangen werden kann.

Wolf Schneider. Deutsch für junge Profis. Wie man gut und lebendig schreibt. Berlin 2010.

—> Wolf Schneider macht in erheiternder Weise auf viele gängige Fehler aufmerksam und erklärt, wie ihr es besser machen könnt. Eignet sich zur eigenen Sensibilisierung, auch wenn der Anspruch eines allgemeinen “Weges zu gutem Stil” in Frage gestellt werden kann und es nicht (nur) um wissenschaftliche Texte geht.

 

Anhänge:

Angenehme Text-Feedback-Runde: Wie in Gruppen Feedback geben und nehmen? Das erklärt diese Anleitung. Das Handout ist auch auf Englisch verfügbar und der Webseite des CTLs (Center for Teaching and Learning Uni Wien) entnommen.

Feedback Gebrauchsanleitung: Knapp und knackig sind hier die wesentlichen Merkmale des Feedbacks zusammengefasst.  Das Handout ist auch auf Englisch verfügbar und der Webseite des CTLs (Center for Teaching and Learning Uni Wien) entnommen.

Feedbackregeln der Uni Freiburg: Die Uni Freiburg erklärt auf vier Seiten, wie Feedback für alle Seiten angenehm und konstruktiv gestaltet werden kann.

Feedbackregeln der Uni Gießen: In die gleiche Kerbe schlägt die Uni Gießen und fügt am Schluss auch noch Literaturhinweise an.

Textlupe: Eine Möglichkeit, eure oder fremde Texte genau nach Verbesserungspotenzial und Fehlern zu untersuchen. Das Handout ist auch auf Englisch verfügbar und der Webseite des CTLs (Center for Teaching and Learning Uni Wien) entnommen.

Überarbeitungsstrategien FH Vorarlberg: Wie Texte überarbeiten? Das Schreibzentrum der FH Vorarlberg hilft kurz und knackig.

 

Links:

Schulungsangebot der Universitätsbibliothek: https://bibliothek.univie.ac.at/schulungen.html (Zugriff: 30.05.2020)

Fachbereichsbibliothek für Europäische Ethnologie: https://bibliothek.univie.ac.at/fb-europ_ethnologie/ (Zugriff: 30.05.2020)

Gratis online Kurs (Englisch) übers universitäre Schreiben: https://criticalthinkeracademy.com/p/a-essays (Zugriff: 30.05.2020)

Vorstellung einer digitalen Arbeitsweise: https://papierlos-studieren.net/2019/12/10/lesen-notizen-und-der-zettelkasten/ (Zugriff: 30.05.2020)

Schreibmentoring an der Universität Wien: https://ctl.univie.ac.at/services-zur-qualitaet-von-studien/wissenschaftliches-schreiben/schreibmentoring/ (Zugriff: 30.05.2020)


[1] Es kann sich auch um andere Produkte handeln, die ihr erstellen müsst, wie Poster, Präsentationen, Videos etc. Siehe Kapitel —>Textsorten

[2] Es gibt zahlreiche Publikationen zu Stilfragen in der Wissenschaftssprache, zum Teil mit sehr konkreten Hinweisen beispielsweise zur Vermeidung von Passivkonstruktionen. Da Stilfragen zum Teil auch Geschmacksfragen sind, möchten wir dazu anregen, Wissenschaftssprache insbesondere mit Blick auf drei Kriterien zu überarbeiten: Eindeutigkeit (Erklärung von Begriffen, Vermeidung von unklaren Metaphern), Verständlichkeit (keine überlangen Sätze, Logik etc.), Ökonomie (Vermeidung von unnötigen Abschweifungen, Füllwörtern, Wiederholungen etc.).

[3] Hilfe von anderen ist zwar gut. Aber passt auf: Es muss trotzdem eure Arbeit sein! Ganze Passagen schreiben lassen geht also nicht.